Rot strahlen die Lippen von Betty Amann, Schauspielerin in dem 1930 erschienenen Film „Der weiße Teufel – Hadschi Murat“. Zu einem Lächeln verzogen sind hingegen die rötlichen Lippen von Xenia Desni, die in dem Film mit dem putzigen Titel „Durchlaucht Radischen“ spielte. Auf der Leinwand zu sehen ist die Farbe nicht. Beide Schauspielerinnen waren zu einer Zeit aktiv als Farbe im Film lediglich durch Viragierung – das heißt durch das Eintauchen der Filmstreifen in ein Wasserbad – oder mittels aufwendigerer Schablonenfärbung erreicht werden konnte. Um derartige Details wie das Muster eines Kleides oder die sinnliche Bewegung roter Lippen zu kreieren musste man auf die Technik der Handkolorierung zurückgreifen. Ein Verfahren, das für einen längeren Film, der aus mehreren Kadern (Einzelbilder) pro Sekunde besteht, zu aufwendig gewesen wäre. Für die Nachwelt erhalten sind die roten Lippen der Damen sowie diverse Aufnahmen der Film-Sets dennoch. Und zwar in mittels Hand eingefärbten transparenter Filmstandfotos, die als Promotion-Material an Premiere-Kinos verschickt wurden.
Treffpunkt Kinofoyer
Noch bis 24. Februar sind die ungewöhnlichen Fotografien im „Photoinstitut Bonartes“ zu sehen. Mit Hilfe von Folienlampen, die nicht sichtbar hinter den Bildern angebracht sind, werden sie erneut zum Leuchten gebracht. Ein Anblick, den sich vor allem Fans historischer Fotos und alter Filme nicht entgehen lassen sollten.
Wie die Zeitgenossen diese – wie es scheint ausschließlich im deutschen Sprachraum verbreiteten – transparenten Bilder wahrgenommen haben, darüber ist jedoch nichts überliefert. Gesichert gilt, sie sollten in den Kinofoyers als Anreiz für den Kauf einer Karte dienen. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Aspekt, dass es sich bei den vermutlich mittels Neonröhren in Schaukästen beleuchteten Durchlicht-Aufnahmen um individuelle von einem Fotografen aufgenommene Bilder handelt. Das bedeutet, dass die Aufnahmen in dieser Form nicht im Film vorzufinden sind. Es muss eine eigene Stimmung geherrscht haben, wenn sich die Kinobesucher in der Pause in diesen als Transitraum zwischen der Außenwelt und dem Kinosaal dienenden Foyers erneut versammelten um sich über die erste Hälfte des Films auszutauschen und dabei die Bilder zu betrachten.
Anders als bei den Filmen wusste man jedoch die Namen der Fotografen nicht. Lediglich Horst von Harbou (der Bruder von Thea von Harbou), der am Set von „Metropolis“ die Bilder schoss und Heinrich Gärtner sind der Nachwelt als Schöpfer dieser Durchlicht-Bilder ein Begriff. Die Fotografen der Standbilder waren vom Filmstudio angestellt und erfüllten ebenso wie die zahlreichen Koloristen (oftmals Frauen und Kinder) ihre Arbeit als kleines Rädchen im Getriebe der Filmindustrie der 1920er und 30er Jahre – die Blüte der transparenten Lichtbilder. Eingefärbt wurden die Aufnahmen, die wie die Filme auch auf Nitrocellulose aufgenommen wurden, mit wasserlöslichen und lichtdurchlässigen Anilinfarben. Der Realität entsprochen hat diese Färbung nicht. Vielen der Farben kam (ebenso wie bei der Viragierung der Filme) eine besondere symbolische Bedeutung zu. So finden sich Bilder, die für Heimatfilme werben zumeist in Grün- und Brauntönen gehalten, während ein orientalisches Setting wie in „Die Frauengasse von Algier – Musa Samarra“ eher in Pastelltönen vermittelt wurde. Rot stand für Gefahr, aber auch für Dynamik und Verwegenheit wie die rot eingefärbten Sitze des Nobelautomobils in „Die drei von der Tankstelle“ verdeutlichen. Und als Farbe der Erotik und Begierde verlieh sie den Schauspielerinnen auf den Lippen zusätzlich Sexappeal.
Farbiges Leuchten
Transparente Filmstandfotos der 1920er- und 30er-Jahre
Noch bis 24. Februar 2017
Photoinstitut Bonartes
Seilerstätte 22
1010 Wien
T +43-1-2360293
[email protected]
Der Besuch ist jederzeit gegen Voranmeldung möglich.
Das Institut bietet auch gerne Führungen an.
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